Galerie Hubert Winter

Guillaume Bijl
24. März – 4. Mai 2012
"Aber wie wollen wir den hier denn nennen?" frage ich meine Frau, "den Tausendfüßler hier?" Und meine Frau lacht und sagt seinen Namen und sagt, er sähe schon richtig so aus, als ob er so hieße, unser Tausendfüßler dort hinter der Glasscheibe: "Michele."
Die letzten Zeilen. In: Edoardo Sanguineti, Capriccio italiano. (1963) Dt. v. A. Giachi. Ffm, Suhrkamp, 1999.

Als Guillaume Bijl 1991 in der Galerie Winter/Bäckerstrasse die Biographie des Komponisten Johannes Vogl (1874 bis 1928) im “Sterbezimmer” des Komponisten rekonstruierte, die Arbeit befindet sich heute in MUMOK Wien, ahnten viele Besucher nicht dass ein Komponist oder Musiker dieses Namens niemals existiert hat. Der Trug der Inszenierung wurde nicht durchschaut, im Gegenteil. “Bijl, der sich als Realist versteht und sein Werk gelegentlich als “tragikomisch” bezeichnet hat, strebt einen direkten Ausdruck an, der vom breiten, “normalerweise außerhalb der Kunstszene” stehenden Publikum verstanden und mitgetragen wird. Die Installationen erstellen eine Art soziokulturelle Kulisse für eine Situation, die vom Publikum selbst geschaffen wird” (Peter Gorsen).

Das erinnert mich an meine “Trophäenjagd mit Guillaume Bijl”. Dieser beeindruckende Mann, ein Herr mit ausladend großen Gesten, ein präziser Arbeiter und schnell zupackender Künstler war mit mir auf Tour durch die Wiener Trödler der Außenbezirke. Auf der Suche nach dem Interieur für das “Sterbezimmer”. Eine Arbeit, die den öfters verwendeten Begriff “Antikunst” für das Bijl´sche Werk auf den Kopf stellt. Aus diesem Konvolut von Trödel wurde “Kunst”. Mit Sarkasmus und einem Lächeln wurden die Sachen zusammenkomponiert und ergaben eine beeindruckende “TransformationsInstallation”, die Bijl als “eine Wirklichkeit in einer Unwirklichkeit” umschreibt.


“Die Geschichte der Erotik”, eine “TransformationsInstallation” aus dem Jahr 1996 gibt uns im moosgrünen Ambiente Nachhilfeunterricht in der “heißesten Sache”, ausgewählte „Composition Trouvée“s aus den letzten Jahren komplettieren die Ausstellung.

Guillaume Bijl (geb. 1946 in Antwerpen, wo er immer noch lebt)
ausgewählte Ausstellungen: 1988 Belgischer Pavillon, Biennale di Venezia, Venedig; 1992 Documenta IX, Kassel; 1996 Museum van Hegendaagse Kunst, Antwerpen; Kunstverein Hannover; 1998 Neue Galerie, Graz; 2002 Museum der bildenden Künste, Leipzig, Tate Liverpool, Liverpool; 2007 skulpturen projekte münster 07, Münster 2008 SMAK, Ghent; 2009 COMA Centre for Opinions in Music and Art, Berlin