Galerie Hubert Winter

Ketuta Alexi-Meskhishvili & Carrie Yamaoka
Curated by Allyson Spellacy.
12. September – 4. November 2023
7. Über einer Haustür in der Via Brera, die die Nummer 30 trägt, dieses Schild: Impresa Pulizia Speranza (Reinigungsunternehmen Hoffnung). Was hinzufügen? Es ist alles gesagt.
Die letzten Zeilen. In: Alberto Savinio, Stadt, ich lausche deinem Herzen. Dt. v. K. Fleischanderl. Ffm, Suhrkamp, 1993.

Die beiden Künstlerinnen, die hier für das Festival in der Galerie Hubert Winter im September vorgestellt werden – Ketuta Alexi-Meskhishvili und Carrie Yamaoka – verwenden der Malerei verwandte Verfahren für fotografische Zwecke ... oder ist es ein fotografisches Protokoll, das malerische Ergebnisse hervorbringt? In der Tat grenzwertig (wie Maximilian Geymüller in seinem Vorschlag " Curated by ... " schreibt). Carrie Yamaokas scharfsinnige Beobachtung der Zusammenarbeit mit Ketuta Alexi-Meskhishvili war, dass sie "der Fotografie sehr nahekommt". Einen Dialog zwischen zwei Künstlerinnen zu schaffen (aber nicht zu erzwingen), die die Phänomenologie des Bildes durch Fotografie, Malerei, Skulptur und Installation erforschen, ermöglicht einen bedeutungsvollen und komplexen Austausch ein, ähnlich wie die aktiven Strategien, die Yamaoka und Alexi-Meskhishvili anwenden – Drucken, Abziehen, Spielen – mit Tone (mass and half), Drone (reverb and cerebral) und heftig mit impulsiver, flinker, formaler Haltung. Mass Tone.

Ketuta Alexi-Meskhishvili bezieht sich auf die Welt um sie herum, im Studio, zu Hause, auf der Straße, während sie ihre Zeit zwischen Berlin und Tiflis aufteilt. Die Bilder werden mit analogen und digitalen Apparaten aufgenommen, übertragen und geschichtet, wobei aus einem 4 x 5-Negativ unbeschnittene C-Types, Pigmentdrucke und transparenter Baumwollvoile ("Schleier", um den Begriff der Künstlerin zu verwenden) entstehen. Wiederverwertete Motive tauchen immer wieder auf – Freunde, Familie, Muster, Straßenlandschaften – Alexi-Meskhishvili, die sich als Fotografin versteht, schafft eine Inszenierung, die wie eine Choreografie der Umgebung anmutet.

Carrie Yamaoka presst ihr "Negativ" – ein transparentes, druckempfindliches Material – direkt auf die Wand; manchmal gießt sie ihren "Film" (Harz mit trockenem Pigment) in eine Form; oft schichtet Yamaoka unerwartete, industrielle Materialien (Vinyl, Mylar, Luftpolsterfolie), um reflektierende, absorbierende, mysteriöse Überlagerungen zu erzielen, die ein Gefühl für die Dauer eines Prozesses vermitteln und den Betrachter zu einem längeren Kontakt verführen. Es handelt sich dabei nicht um eine Täuschung per se, sondern um eine zeitliche fotomechanische Reproduktion in ihrer rohesten Form. Yamaokas Oberflächen scheinen zu "kriechen" (in ihren Worten), zu leuchten, mit dem Raum und miteinander zu korrespondieren.

Samuel Beckett schrieb: „Die Stille wiederherzustellen, ist die Aufgabe von Objekten.“ Was ist die Materie, die den Frieden wiederherstellen kann? Stille (Silence) ist nicht gleichbedeutend mit Ruhe (quiet), sie ist nicht passiv. Bedeutet es, sich in einer Praxis zu verlieren, die gleichzeitig systematisch und intuitiv ist? Oder ist es der Fall, wenn wir die Wahrnehmung aufgeben, ein Nachbild in den Fokus gerät oder sich in eine Patina verwandelt; der Abdruck eines Hauchs auf der Emulsion oder der Daumenabdruck in einem aushärtenden Gel? Die Ausstellung in der Galerie Hubert Winter bietet die Möglichkeit, solche Rollen zu erkunden, von Objekten, Materialien, Stille/Lärm, von Grenzgängen, von Neutralität, voneinander.

—Allyson Spellacy, August 2023