Galerie Hubert Winter

Marcia Hafif
22. October – 27. November 1999
Manchmal füllte der Ozean mir beinahe das ganze Fenster, ein kleiner Streifen
Himmel allein hob es heraus, und oben wurde es von einer Linie begrenzt,
die ganz genau von gleichem Blau wie das Meer war...
Marcel Proust. Auf den Spuren der verlorenen Zeit.
Zweiter Roman - Im Schatten der jungen Mädchen. Dt. v. Walter Benjamin und Franz Hessel.

"In den siebziger Jahren zeichnete sich, überraschenderweise sowohl in den USA als auch Europa, vorerst vereinzelt, zunehmend als Bewegung zu erkennen, das Phänomen einer Neuen Malerei ab. Ein scheinbar totgesagtes Medium kehrte somit, rund zehn Jahre vor der polaren Gegenbewegung der Wilden Malerei, ins Zentrum der künstlerischen Untersuchungen zurück.
Bereits zu Beginn wurde die neue Position von verschiedenen Kunsttheoretikern, erklärtermaßen aber von den Künstlern selbst, theoretisch unterlegt. Definitionen wie Analytische Malerei, Fundamental Painting und Ausstellungen mit dem Titel Bilder ohne Bilder oder Malerei/Malerei machten deutlich, dasses sich um eine Bewegung handelte, welche die Malerei als selbstbestimmt (selbstreferentiell) verstand und die Fragestellung auf ihre grundlegenden (fundamentalen) Gesetzmäßigkeiten richtete. Auch wenn die einzelnen Theorien divergierend und damit die Gruppierungen für die betreffenden Ausstellungen unterschiedlich waren, zeigte sich, daß das scheinbar ausgeschöpfte Medium Malerei, andersartigen Ansätzen unterzogen, eine neue Bedeutung innerhalb der aktuellen Kunst erhielt.
Die Bewegung löste in den achtziger Jahren eine Neuorientierung aus und ergriff vor allem auch jüngere Künstler in Europa und den USA. 1984 fand im Williams College Museum of Art (Williamstown/ Massachusetts) eine Ausstellung statt, welche den Titel Radical Painting trug. Sie vereinigte elf Künstler aus Europa und den USA, u.a. Girke, Marioni, Morales, Umberg, und auch Marcia Hafif, deren kunsttheoretische Schriften viele der jüngeren Künstler beeinflußt hatten. "
Elisabeth Grossmann, Beginning again (aus: Marcia Hafif, From the Inventory. Katalog 1995. Haus für konstruktive und konkrete Kunst, Zürich)

'Immer auf der Suche nach dem Absoluten', mit diesem Satz von Gauguin läßt sich treffend ein Grundzug in den Bildern von Marcia Hafif beschreiben. Sie vereint so die malerischen Bestrebungen von Cezanne über Mondrian bis in unsere Zeit: Das Bild als autonomes Gebilde, als Welt in ihrer entobjektivierten 'wahren Verfassung'; Das Bild als Symbol elementarer Mächte, der Glaube, auf dem Grund des Subjektiven das Absolute zu berühren, die elementare, suggestive Ausdruckskraft der Farbe; Das Bild als 'große Harmonie', das Harmoniegesetz der Farbe (nach Walter Hess, Das Problem der Farbe).
Und Hans -Georg Gadamer weist in Lob der Theorie auf Rousseau hin, der 1750 auf die aus dem Geist der Aufklärung stammende Preisfrage der Akademie von nach den moralischen Fortschritten, die die Menschheit der Entfaltung der Wissenschaften und der Kunst verdanke, seine berühmte Antwort gab, in der er die Unschuld und einfache Reinheit der Natur pries. Dies finden wir in den Bildern von Marcia Hafif.

  • Review: Die Presse, 30.10.1999 (PDF)