Galerie Hubert Winter

Jojo Gronostay
RECREATION
14. Jänner – 5. März 2022
Dann waren auch die Koffer wieder sein, und mutiger, denn er je gewesen war als Kind, schritt er durch die Sperre, hinüber in jene Stadt, darin einst die Himmlischen Wohnung genommen hatten.
Die letzten Zeilen. In: James Baldwin, Eine andere Welt. Dt. v. Hans Wollschläger. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt, 1970.

RECREATION ist die erste Einzelausstellung von Jojo Gronostay in der Galerie Hubert Winter. Jojo Gronostay (*1987 in Hamburg, lebt und arbeitet in Wien) ist ein deutscher Künstler mit ghanaischen Wurzeln. Er studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien und an der École des Beaux-Arts in Paris. Im Zentrum seiner Ausstellung steht die titelgebende, zweikanalige Videoinstallation (RE-)CREATION (2021). Der Film wurde an der Küste Accras, der Hauptstadt Ghanas, aufgenommen, wo Jojo Gronostay ein Fußballspiel initiierte.

Der Film beginnt mit Aufnahmen in der Dämmerung, ob morgens oder abends ist nicht eindeutig feststellbar, Meeresrauschen ist zu hören und überlagert ständig die Geräusche des Spiels. Es wird nur von atmosphärischen Ambient-Klängen (komponiert von Sofie Fatouretchi) übertönt. In dieser visuell wie auch akustisch diesigen Atmosphäre entfaltet sich die Choreografie des Fußballspiels. Die Bilder der zwei Kanäle nähern sich einer synchronen Bildkomposition an, zeigen das Geschehen aus verschiedenen Perspektiven, trennen sich aber auch wieder auf. Close-ups rücken die Spieler in den Vordergrund, porträtieren sie und man erkennt, dass die Jerseys der Spieler überarbeitet sind. Die Fußballshirts europäischer Vereine, die auch das städtische Bild im Alltag prägen, wurden von Jojo Gronostay via seinem Label DWMC bedruckt, Sponsoren teilweise überdruckt und dadurch angeeignet.

Die lose Temporalität der Bilder ermöglicht es verschiedene Zeitebenen auf dem Feld zu überlagern: die Erinnerung an eine kolonialisierte Vergangenheit und den Bruch damit, die Brachfläche der Gegenwart und die Zukunft einer kapitalisierten Metropole. Jojo Gronostay fängt mit einem ruhigen, sensiblen Auge einen prekären Blick auf ein (Spiel-) Feld ein, auf dem sich problematische Diskurse verdichten: die Repräsentation schwarzer Subjektivität, der weiße Blick auf Afrika, nach wie vor bestehende koloniale Strukturen und die hegemonialen, ökonomischen Verhältnisse Europas zu Afrika, die (in diesem Fall) durch finanzorientierten, professionalisierten Fußball aufrechterhalten werden.

Im Hintergrund des Spiels ist immer wieder eine große Bogenarchitektur aus Beton zu sehen. Es handelt sich um den Independence-Arch, der 1957 zur Unabhängigkeit Ghanas erbaut wurde. Brutalistische Architektur aus den 1960er-Jahren markiert in vielen westafrikanischen Staaten architektonisch den Bruch mit der kolonialisierten Vergangenheit als auch der lokalen Tradition. Die skulpturale Qualität dieser brutalistischen Bauten greift Jojo Gronostay in seinen fotografischen Arbeiten der Serie Brutalism (2021) auf. Abgebrochene Absätze, die er in Accra auf dem Kantamanto Market – einem der größten Umschlagspunkte für Secondhand Kleidung aus Asien, Europa, Nordamerika und Australien – gekauft hat, inszeniert er im Fotostudio. Durch die Vergrößerung auf menschliche Dimension werden die Objekte dermaßen entfremdet, dass skulpturale und architektonische Aspekte in den Vordergrund treten und sie Reminiszenzen an anfangs genannte, brutalistische Architektur hervorrufen.

Jojo Gronostays konzeptuelle Praxis befasst sich mit Fragen nach Identität und Repräsentation, Plattformen, Recycling und Zwischenzuständen. Seine Arbeiten erforschen die politisch-ökonomischen Strukturen zwischen Europa und Afrika und mit Plattformen wie dem Label DWMC – Dead White Men’s Clothes, schuf er sich auch eine Struktur, um in diesen Kreisläufen zu intervenieren. Dabei werden Konzepte wie z.B. Ökonomie oder Wert, sowie der Austausch von Menschen und Waren zwischen beiden Kontinenten untersucht.